Einmal fand ich auf einem Acker in Andalusien einen Kanister, über den ein schweres Fahrzeug gefahren war. Dadurch wurde er in eine Blechplatte verwandelt. Geknautscht, von Furchen und Falten durchzogen sah sie aus. Überdies hatte ihr der Rost eine ansehnliche Patina verliehen. Das Resultat gefiel mir so sehr, dass ich begann, ausrangierte Gegenstände aus Blech zu sammeln und sie zu bearbeiten.
Das Material lässt sich schneiden, biegen, stauchen, verzerren. Bravo, es fügt sich unter meinen Händen. Außerdem nimmt es Farbschichten problemlos an. Mir macht es Freude, einem nutzlos gewordenen Gegenstand, der schon in das Reich des Mülls abgesunken war, zu neuer Bedeutung zu verhelfen. Wertschöpfung nenne ich das. Die Bearbeitung von Holz ist mir vertrauter. Aber mit Blech möchte ich noch manche Waghalsigkeit ausprobieren.
Es darf ein Kammer- oder Nachttopf, ein Suppentopf, ein Eimer, ein Kanister, ein Kehr- oder Backblech sein, auch eine Tasse, eine Sardinenbüchse, eine Spray- oder Konservendose. Jede Partydose (ehemals mit 5 Litern Bier gefüllt) ist mir willkommen, auch ein Schutzblech vom Fahrrad, eine Blechtrommel, ein Deckel, eine Feldflasche, ein Henkelmann. Solche weggeworfenen Persönlichkeiten finde ich im Gestrüpp von Bahndämmen, auf Rheinwiesen, überwucherten Brachflächen, an Waldrändern, auf Spielplätzen, in Parks, im Unterholz. Sie alle dürfen verbeult, zerkratzt, zerfurcht, vom Gebrauch verschlissen sein. Sind sie von Rostflecken befallen, angerostet oder durchgerostet? Das könnte sich als interessant erweisen. Am liebsten ist mir prächtig in Richtung Patina gereifter Rost mit gelben Einsprengseln, Flechten- oder Moosbesatz.
Im Prinzip kann jeder am Rheinufer angeschwemmte Kinderwagen ein Kandidat für die Verwandlung in ein höheres Wesen sein. Oder ein Blechnapf. Oder ein Rollator. Oder die demolierte Stoßstange eines Autos. Manchmal spült der Rhenus fluvius ein halbes Fahrrad oder ein zerquetschtes Bierfass an. Ein Eimer ist ein Eimer, eine Partydose ist eine Partydose, ein Ofenrohr ist ein Ofenrohr. Von wegen! Entscheidend ist, was man daraus macht. Schwerter zu Pflugscharen übersteigt meine handwerklichen Fähigkeiten. Aber Nachttopf zu Propeller, Gießkanne zu Maske, Partydose zu Windspiel ist mir schon gelungen; auch Kugelgrill zu Monstervisage.
Eigentlich helfe ich nur nach. Sieh an: ein durchlöchertes Kuchenblech, ein in den Wald geworfener Toaster, Ruinen einer Gulaschkanone, ein geheimnisvoll verstümmelter Briefkasten. Stahl und Eisen würden mich überfordern, aber beim Blech lange ich hin. Schere, Hammer, Zange liegen bereit. Was soeben noch Müll war, wird zur Schau gestellt, von allen Seiten betrachtet, gedreht, gewendet. Bis der geheimnisvoll verstümmelte Briefkasten von einer Idee heimgesucht wird. Ich helfe nach.
Er wird aufgeschnitten, tranchiert, geplättet, verbogen, geknautscht, gestaucht, geknittert. Falls erforderlich wird kreativ zertrümmert. Meine Devise: Furchen und Runzeln verstärken, rostige Partien beibehalten, Patina retten. Unbedingt die verzerrten Formen gewähren lassen, gegebenenfalls die Idee auf halber Strecke nachbessern. Bis der Augenschein zu verstehen gibt, dass die Verwandlung gelingen könnte.
In jedem Fall muss noch bei den Farben nachgeholfen werden. Nicht plump anstreichen! Mit gefühlvoll eingesetzten Farben der Idee Nachdruck verleihen, sie unterstützen. Grundierung, darüber die nächste Schicht, trocknen lassen, dann noch eine Schicht oder zwei. Das verstärkt Konturen, bekräftigt Schattenwürfe und Kanten, lässt Furchen abgründiger erscheinen. Kobaltblau schillert von unten, darüber schimmert ein sumpfiges Grün. Die rostigen Risse umgibt ein Hauch von Bronze. Dellen und Wellen tendieren zu Kupfer. Wenn jetzt wohlfeiles Abendlicht auf den Briefkasten von einst scheint, möchte man ihn beglückwünschen: Kompliment, Verwandlung gelungen.
An diesem Ensemble aus Blech dürfen sich Wind und Sonnenlicht spielerisch betätigen. Ihm genügt eine Brise. Schon dreht es sich, übt sich in tänzelnden Bewegungen. Mir gefällt, wie es auf der Brise balanciert, ihr nachgibt, sich von ihr beschwingen lässt. Weht der Wind beherzter, beginnt es zu schlingern. Bei Starkwind schaukelt es so ausgelassen, dass man fürchtet: Es taumelt, gleich stürzt es zu Boden.
Mäßigt sich der Wind, fällt es zurück in legere Schwünge. Es baumelt aus, dreht sich kaum noch. Wenn dann tiefstehendes Sonnenlicht auf seine Flanken scheint, entsteht der Eindruck: Jede Farbe leuchtet auf, um die andere zu übertrumpfen. Gold, Bronze, Kupfer drängen sich vor. Auch Silber und Blau wollen sich zeigen. Spielt das Licht mit den Farben? Oder die Farben mit dem Licht?
Beides wäre mir recht. Ich will nur zuschauen und mich daran erfreuen, was hier gespielt wird.