Kollektion 2016
Experimente mit neuen Materialien
„Jetzt vergreift er sich auch noch an Gebeinen!“
Widerrede: „Manche Knochen, die ich in der Wildnis Andalusiens finde, sehen wie Schmuckstücke aus. Archaische Formen, Urzeit-Relikte. Gliedmaßen eines Amuletts? Jeder Schamane, jeder Indianerhäuptling würde mit ihnen seine Prunkmontur verzieren. Den Kollegen sei es gegönnt. Mich locken andere Verwendungen.
Gereinigt, koloriert, auf Draht gezogen und meinen Absichten unterworfen nehmen die Knochen eine neue Gestalt an. Ihre Herkunft (von Schafen, Ziegen, Füchsen, Wildschweinen) tritt in den Hintergrund. Nach Vollendung meiner Knochenarbeit erscheinen animalische Kauze mit Seltenheitswert. Hier ein prähistorisches Flugsubjekt, dort eine ausgerottete Bestie oder ein mythisches Reptil.
Wer diese Persönlichkeiten betrachtet, kann sich vorstellen, wie sie aus dem Habitat der Fantasie ausgebrochen sind und sich nun zur Schau stellen. Möge eines Tages meinen eigenen Knochen ein vergleichbarer Karrieresprung beschieden sein.“
Dickschädel als Einzelgänger‘. Schafsknochen. Mit Bronze, Kupfer, Schwarz, Silber koloriert. Fundort Andalusien.
Verlobungskuss der Großkopfechsen‘. Knochen von Schafen und Wildschweinen. Mit Bronze, Kupfer, Violett, Gold, Silber, Schwarz koloriert. Fundort Andalusien.
Schillerndes Fabelwesen‘. Knochen von Wildschweinen und Schafen. Mit Rot und Metallic Grün koloriert. Fundort Andalusien.
Wurzelholz provoziert Gestaltungsfreude
Was Bäume unter der Erde anstellen, bekommt man selten zu sehen. Natürlich: Sie wurzeln; flach mit Tendenz zur Ausbreitung oder auf tiefe Verankerung im Boden bedacht. Ein Hang rutscht ab, entwurzelte Bäume rutschen mit; oder ein Sturm bringt den Baum mitsamt der unterirdischen Anteile zum Stürzen. Nun wird das Lebenswerk der Wurzel ersichtlich. Der Betrachter staunt über virtuose Verflechtungen, zerklüftete Holzlandschaften, hartleibige Blöcke. Wenn ich im Wurzelholz einer alten Eiche Spalten und Furchen von morschen Partien befreit, Vertiefungen ausgeschabt, Kanten, Spitzen, Rundungen betont, schließlich sämtliche Eigenarten des Wachstums zum Vorschein gebracht habe, hat mein Gegenüber eine veränderte Identität angenommen. Es sieht mit einem Mal wie auf die Grundfesten seiner Persönlichkeit reduziert aus. Ich erkenne Merkmale, die mir gefallen; die erhalten, sogar verstärkt werden sollten. Andere erscheinen mir entbehrlich. Oder? Nur keine zu frühen Festlegungen. Ab jetzt lasse ich jede Vermutung zu, in welche Richtung ich die Bearbeitung treiben könnte. Vor allem Wurzelholz von Stiel- und Traubeneichen fordert meine Gestaltungsfreude heraus. Auch bei alten Olivenbäumen ist das so. Beispiele gefällig?
Großmäuliger Warzenalligator‘. Olivenwurzel. Mit Kupfer, Bronze, Grün koloriert. Fundort Andalusien.
Muskulöser Prachtläufer‘. Eichenwurzel. Mit Kupfer, Bronze, Violett, Gold koloriert. Fundort Westerwald.
Hochbeinige Grazilette‘. Zwei Meter hoher Retama-Ginster. Mit Blau, Bronze, Metallic Grün, Silber koloriert. Mit Blau und Silber kolorierter Federkranz. Fundort Andalusien.
Fremdkörper in Annäherung‘. Steineiche und Edelkastanie. Mit Kupfer, Blau, Teak-Holzbeize, Silber, Rot koloriert. Fundorte Andalusien und Piemont.
Disput der Temperamente‘. Rosmarin- und Mandelholz. Mit Teak-Holzbeize koloriert. Fundort Andalusien.
Schräge Typen aus Metall
Was geht hier vor? Warum sehen die Figuren so verdreht, verrenkt, verbogen aus? Proben hier Coronarguppen einer Rehaklinik alternative Durchblutungsübungen? Gewährt uns die Fachhochschule für kreative Selbstdarstellung einen Blick auf die Meisterschüler? Sind dies Zurschausteller, Traumtänzer?
Unübersehbar jedenfalls, wie jeder seine Trance maximal individuell zelebriert. Jeder ein Derwisch, Verwandlungskünstler, Virtuose des sich Aufspielens. Der Exzentriker hat sich in sich selbst verliebt und möchte dies kundtun. Dabei ist er nur ein Obsttortenboden. Nichts weiter als Blech, das ich verbogen, gestaucht, verzerrt, schließlich koloriert und als Ensemble angeordnet habe.