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Kollektion 2018

Erneute Experimente mit Agavenblättern. Wenn man sie von den Dornen an den Rändern befreit, die faserige Fläche presst und lange genug durchtrocknen lässt, kann man in sie hinein Symbole, Zeichen, angedeutete oder eindeutige Figuren ritzen. Nach der Kolorierung erinnern sie an Abdrücke von fossilen Wesen oder an prähistorische Felsmalereien. Jedes Ensemble sollte sich so rätselhaft darbieten, dass man glaubt, mit einer Bildsprache aus extrem lange zurückliegenden Epochen konfrontiert zu sein; so als hätte man Originale aus fernen Urzeiten vor sich.

 

Arsenal der Petitessen

Diese Unikate sind im Sommer gleichsam zwischendurch auf Reisen entstanden. Geschnitzt wurde während Besinnungspausen und Wartezeiten. Alle sommerlichen Petitessen, wie ich sie nenne, mussten klein genug ausfallen, um ins Reisegepäck zu passen. Anfertigungen größerer Objekte ließen die Unterwegs-Verhältnisse nicht zu.
Meist drängten mich die Hölzer durch ihre Form dazu, sie anzuspitzen, hier einen Griff, dort eine Klinge herauszuarbeiten. Dabei lag es mir fern, das weltweit angehäufte Arsenal von Hieb-, Schneide-, Stoß-, Stich- und anderen Nahkampfwaffen zu mehren. Ich bin eher für Abrüstung.
Insofern bitten die hier vorgestellten Dolche, Messer und Gabeln darum, nicht zu aggressiven Zwecken rekrutiert zu werden. Dafür sind sie untauglich, außerdem zu skurril, zu zerbrechlich, zu sensibel gebaut. Aber als Zierat taugen sie, als Schönlinge, an denen man sich erfreut. Für sie ist der Ernstfall der zivile Vergnügungsfall, wenn man mit einem Messer aus Orangenholz eine Tomate zerteilt oder mit einem Dolch aus Hainbuchenholz eine Traube nach der anderen zu Munde führt. Übrigens kann man sich mit einer schwungvoll gekrümmten Kratzgabel aus Zistrosen-Wurzelholz am Rücken oder hinter dem Ohr kratzen.

Möge es in Wirklichkeit niemals dazu kommen. In der Fantasie könnte es aber geschehen: Man wird angegriffen, muss aus Notwehr handeln. Unversehens zieht man einen Dolch der Serie „kurzer Prozess“ aus der Tasche, streckt die geschliffene Spitze dem Angreifer entgegen, lässt das geballte Bedrohungspotential seine Wirkung entfalten. Abgeschreckt, entschlossen, keinesfalls erdolcht werden zu wollen, stürzt der Angreifer unverrichteten Übels davon.
Diese auf den ersten Blick zierlich aussehenden, auf den zweiten zu brutalstmöglichen Stößen und Stichen befähigten Dolche passen in den Einkaufsbeutel, die Aktenmappe, die Manteltasche, den Beauty Case. Ängstliche Gemüter tragen einen solchen Dolch auf dem nächtlichen Nachhauseweg offen in der Hand, am kleinen Finger baumelnd oder an einer Kette um den Hals gehängt. Jeder Dolch gibt auf seine Weise zu verstehen, dass man ihn besser nicht zum „kurzen Prozess“ herausfordern sollte.

 

Als Rüstzeug für die Exekution ausgefallener Absichten empfehlen sich diese Dolche. Sie gestalten finstere Untaten, treten in Dramen und Tragödien auf, setzen Rachegelüste in die Tat um. Ob am Theater oder in der Wirklichkeit: Wo gemeuchelt, gemetzelt, hinterrücks erstochen werden soll, fällt ihnen eine Hauptrolle zu. So wie sie geschaffen sind, könnten sie einen Brudermord begehen, Widersacher liquidieren, Todfeinde mit einem einzigen Stich ins Jenseits befördern. Man beachte auch den Doppeldolch, spezialisiert auf eine ruckartige Links-Rechts-Kombination, falls jemand zwei Angreifer gleichzeitig einschüchtern oder aus dem Weg räumen möchte.

Um für genügend Abwechslung zu sorgen, habe ich einen Suiziddolch angefertigt. Seine Stunde schlägt in Szenen, in denen sich der tragische Theaterheld selbst entleiben möchte. Ihm empfehle ich, vorher am Haltegriff eine Schlaufe anzubringen, damit ihm der Dolch nicht vor lauter Aufregung im entscheidenden Moment aus der Hand fällt und er womöglich ein zweites Mal ansetzen muss.
Alle Dolche habe ich so geschnitzt, dass sich jedermann ausmalen kann, zu welchen Gewalttaten sie fähig wären. Selbstverständlich achte ich darauf, dass sie dazu niemals herangezogen werden. Für die Schmuckdolche gilt: Sollte sich jemand als Emir, Sultan, Großwesir oder Kalif ausweisen können, würde ich ihm erlauben, einen Dolch dieser Kategorie öffentlich zur Schau zu tragen.

Vorbei die Zeit, als ich Kräuter, Früchte, Gemüse mit dem Metallmesser schnitt. Inzwischen verwende ich eigenhändig geschnitzte Holzmesser aus Orangen-, Zitronen-, Mandarinen-, Kastanien- oder Eichenholz. Nach den zierlichen greife ich, will ich Trauben, Bananen oder Erdbeeren in dünne Scheiben gliedern. Bei Tomaten, Gurken, Kartoffeln oder Zwiebeln wähle ich eine rustikale Variante.
Beispiel Tomate: Ein Metallmesser zerschneidet sie, forsch, glatt, rücksichtslos. Anders das Holzmesser. Drücke ich seine geschärfte Klinge gegen die Tomate, gleitet sie ein Stückweit hinein, wartet ab. Sie lässt Vorsicht walten, möchte am liebsten gar nicht schneiden. Ich bilde mir ein, dass sie darauf wartet, die Erlaubnis erteilt zu bekommen, ein weiteres Stück vorwärts zu gleiten. Sie ziert sich, möchte in der Tomate nichts mutwillig zerstören. Aber sobald ich es ihr erlaube, stellt sie alle Skrupel hintan, bis sie vollends zum Ziel durchgeglitten ist.
Sanfter kann man keine Tomate zerteilen. Wäre ich eine solche, ich ließ mich niemals mehr auf ein Metallmesser ein.

Mit gewöhnlichen Gabeln bin ich versorgt. In meiner Besteckschublade herrscht kein Mangel. Bislang fehlten mir aber Kratzgabeln. Nicht um Geld zusammenzukratzen. Nicht um an anderen Leuten herum zu kratzen, nur an mir.
Seit ich sie mir erschnitzt habe, kann ich versichern: Gegen Juckreiz in abgelegenen Körperzonen bringt man am besten eine Kratzgabel zur Anwendung. Auswahl muss sein. Die eine kümmert sich um die Ferse, die andere um den Nacken. Mit einer besonders schwungvoll gebogenen bekratze ich die Rückenpartie. Für die Unterschenkel bevorzuge ich eine mit vier Zinken; für die Kniekehle reichen drei; für die Kopfhaut oder die sensible Partie hinter den Ohren zwei.
Alle stellen sich hier im Bild vor, der Brustkratzer ebenso wie der Hüftkratzer. Ganz wichtig: Sanft muss man kratzen, locker verspielt, mit musikalischer Hingabe, gerade so sehr, dass der Juckreiz neutralisiert wird. Dann kann man auf Tabletten, Heilschlamm, Antijucksalben verzichten.