Kollektion 2020
Spiegelscherben auf dem Weg zum Scherbenspiegel. Aus Trümmern werden Kunststücke.
Der zerbrochene Garderobenspiegel war am Straßenrand zusammen mit schäbigen Möbeln ausgesetzt worden. Bald würde er abgeholt werden, um auf der Müllhalde zu verenden. Nicht, dass mir der Spiegel gefiel, seine Kanten waren abgenutzt, die Rahmung, ein dünnes Konstrukt der Verlegenheit. Glanz und Gloria hatte der Spiegel nie erlebt, eine Antiquität war er keinesfalls, aber ich nahm ihn mit. Nicht aus Mitleid, sondern weil er mich auf eine Idee brachte.
Seither probiere ich aus, wie man mit Spiegelscherben Scherbenspiegel konstruiert. Vereinfacht gesagt: Man hüllt den Spiegel (ob zerbrochen oder nicht) in eine Decke und zertrümmert ihn durch wohldosierte Hammerschläge. Nun hat man einen Fundus von Scherben erwirtschaftet, die man auf Glasscheiben kleben und zu einem Mosaikensemble kombinieren kann. Aus Spiegelscherben werden Scherbenspiegel.
Mir gefällt, wenn sie so aufgehängt werden, dass sie ein wenig schaukeln und schwingen können. Scherbe für Scherbe reflektieren sie alle Spielarten des Lichts. Solche Kunststücke überraschen den Betrachter. Er schaut lange hin, äußert Entzücken und Bewunderung. Jeder gewöhnliche Rasier- oder Schlafzimmerspiegel träumt davon, in einen Scherbenspiegel überführt zu werden.
Für die Anfertigung monumentaler Huldigungen aus Marmor, Granit oder Bronze stehen meine Handgelenke nicht zur Verfügung. Größe reizt mich nicht. Aber für parodistische oder satirische Szenarien auf kleiner Bühne strenge ich mich an.
Dass sich die Schoten des Johannisbrotbaums zu irrwitzigen, manchmal artistisch verdrehten Formen aufschwingen können, war mir nicht neu. Irgendwann scharte ich die ambitioniertesten Artisten um mich, dachte darüber nach, wie ich sie als Ensemble auf die Bühne bringen könnte, wetzte bereits das Schnitzmesser. Jetzt fehlte nur noch die Anstrengung, kombiniert mit Farbe, Klebstoff, handwerklichem Geschick.
Viel Zeit habe ich aufwenden müssen. Manche vielversprechende Schote erwies sich als Fehlbesetzung. Mehrfach misslang die Verwirklichung einer als gut befundenen Idee. Nach etlichen Arbeitsstunden einsehen zu müssen, so geht es nicht, alles vergeblich, kollidierte immer wieder mit den Grundfesten meines auf Zuversicht gepolten Charakters. Aber es gab auch unverhofftes Gelingen, stillschweigende Freude, gelegentlich so etwas wie Eigenlob für überzeugende Anstrengungen.
Nun also: Vorhang auf! Vier Szenarien aus dem ehrwürdigen Theater für Johannisbrot.