Kollektion 2015
Der hier präsentierte Zuwachs illustriert vor allem meine Verehrung für das Holz von Mandelbäumen, Ginster-, Oliven- und Kapernwurzeln. Mancher Betrachter wird die Augen verdrehen und denken: Jetzt macht er sich auch noch über Rinden und Knochen her; und dann diese Großwildherde, wen will er damit beglücken? Dagegen folge ich meiner Devise: Je skurriler, desto willkommener. Was mich verlockt, sollte ausprobiert werden. Ich will ja dazulernen. Also darf man vor Absonderlichkeiten nicht zurückschrecken.
Skurrilitäten in freier Wildbahn
Bühne frei für eine neue Abteilung. Ich habe mir eine Großwildherde zugelegt. Das skurrile Getier hat sich um ein Wasserloch versammelt und ist sich einig: Wir wollen draußen bleiben, wir sind allwetterfest, Regen, Hitze, Kälte machen uns nichts aus, Winde sind willkommen, Sonne sowieso. In der Herde erkennt man einen Unhold und einen Wirrkopf, einen Wendehals und ein Großmaul. Häuptling Flinkes Federspiel zittert in den Winden. Ein Bückling schnappt nach Wasser.
Allen gemeinsam sind die knochigen Beine und der betont lange Hals. Die Skelette von abgestorbenen Mandelbäumen haben mich inspiriert. Bricht man einen solchen Baum aus dem Boden, beschneidet die Äste und stellt den Baum mit dem Stamm nach oben hin, hat man schon Beine und Hals vor Augen. Fehlen nur noch ein ausdrucksstarker Kopf und eine passende Kolorierung. Immer wieder betrachte ich meine Herde und erfreue mich daran, wie wohlgeraten jede Skurrilität dem Reich der Fantasie entsprungen ist.
Großmaul mit Blessuren‘, Mandel- und Pappelholz (dreht sich im Wind), mit Braun koloriert, Fundort Andalusien.
Bückling am Wasserloch‘, Mandelholz (wippt im Wind), mit Braun und Silber koloriert, Fundort Andalusien.
Häuptling Flinkes Federspiel‘, Mandelholz mit Bussardfedern (dreht sich im Wind), Fundort Andalusien.
Warzenköpfiger Unhold‘, Mandel- und Pappelholz, Fundort Andalusien, mit Grün, Rot und Braun koloriert.
Wirrkopf und Unhold traben durch die Landschaft. Spielen sie Nachlaufen? Bebalzen sie sich? Flieht der eine, verfolgt der andere? Haben die beiden etwas ausgeheckt und machen sich deshalb aus dem Staub? Hallo ihr, nur zu, lasst euch nicht stören. Tragt die Köpfe so hoch ihr wollt. Reckt die langen Hälse ins Licht. Und bewegt eure schlanken Gliedmaßen. So wie ihr dem Reich der Fantasie entsprungen seid, dürft ihr bleiben. Nur bitte: lauft mir nicht davon!
Das zweite Leben der Kapernwurzel
Immer auf der Suche nach alten abgestorbenen Kapernpflanzen. Solche Raritäten findet man in erodierten Kalk- und Sandböden, an abgerutschten Hängen, auf Ödland, in Erdspalten, Schluchten, ausgewaschenen Talkesseln. Trockene, sonnenreiche Badlands sind Kapernland. Die dornigen Triebe, welche über den Boden kriechen, interessieren mich weniger. Auf die Wurzeln habe ich es abgesehen. Ist die Pflanze abgestorben, kann man das Geflecht aus Haupt- und Nebenwurzeln bergen. Jede angefaulte Partie wird entfernt, das komplette Ensemble gereinigt, im Wind durchgetrocknet. Schließlich mache ich mich an die Verwandlung.
Offenbar neigen Kapernwurzeln dazu, sich an Abhängen einzuknoten, um der Pflanze Halt zu verschaffen. Manche haben sich zu Klumpen ausgewachsen. Darin erkennt man ein Geflecht aus Windungen, Schlaufen, Spiralen. Andere Wurzeln bevorzugen, sich nach allen Seiten ins Erdreich zu bohren. Ab und zu schlagen sie einen Haken oder drehen auf der Stelle. Sogleich verzweigen sie sich wieder im Untergrund.
Mir imponiert das Lebenswerk einer ausgewachsenen Kapernwurzel. Kühnheit und Unternehmungslust erkenne ich darin. Auch einen ausgeprägten Sinn für Formenvielfalt, Einfallsreichtum, Überraschungen. Eine solche Wurzel bearbeite ich so, dass sie in ihrem zweiten Leben eine nicht minder würdige Identität erhält.
Mammon zum Greifen nah‘, Kapernwurzel mit Dunkelblau, Kalkstein mit goldener Farbe koloriert, Fundort Andalusien.
Spielraum für Verwandlungen
Wenn mir ein Stück Holz gefällt und ich es zu bearbeiten beginne, ist noch offen, was daraus wird. Schaue ich lange genug hin, stellen sich erste Ahnungen ein, wo ich etwas wegnehmen oder hervorheben sollte. Absägen geht immer; noch mehr absägen auch. Zu viel abgesägt, schon ist man auf der schiefen Bahn des Misslingens.
Freilegen, verstärken, hervorheben an der richtigen Stelle, darauf kommt es an. Wenn das gelingt, verwandelt sich eine Verdickung, eine Wucherung, ein verschlungener Ast oder eine Wurzel in ein anderes Wesen. Mit einem Mal sieht es kurios, bizarr, geheimnisvoll aus; manchmal verwunschen, verrückt, absonderlich, nicht von dieser Welt.
Ein Unikum ist es auf jeden Fall. Aber ob es einem Teufel ähnelt, der Schwiegermutter, dem Nachbarn von gegenüber, einem Unhold oder Märchenprinz möge jeder Betrachter für sich entscheiden. Soll er den Spielraum seiner Fantasie ausschöpfen und nicht nach dem Titel schielen, den ich jedem Unikum verliehen habe.
Dass bei meinen Verwandlungen kaum jemand als Homo sapiens endet, muss mit der Zurückhaltung, die ich dieser Gattung entgegenbringe, zu tun haben. Dagegen dürfen alle frei erfundenen Wesen, die aus dem Tierreich stammen oder aus ihm stammen könnten, mit meiner Vorliebe rechnen.